Dienstag, 26. März 2013

Rezension zu "Mädchenauge" von Christian David



solides Debüt - mehr nicht

‟Mädchenauge“ von Christian David ist ein österreichischer, größtenteils in Wien spielender Krimi und der Debütroman des Autors.

Inhalt: In Wien geht ein Serientäter um. Im Abstand von jeweils drei Wochen wurde nun bereits die dritte Studentin in ihrer Wohnung brutal ermordet, doch Hinweise auf den Täter gibt es kaum. Major Belonoz, der Leiter der Mordkommission, ermittelt in alle Richtungen. Unterstützt wird er dabei von der jungen, gerade aus New York zurückgekehrten Staatsanwältin Lily Horn. Wird sie den Fall lösen können? Oder ist er eine Nummer zu groß für die ehrgeizige junge Frau?

‟Mädchenauge“ ist ein Krimi, der ein solides Debüt abgibt, allerdings in fast allen Punkten kleinere – teilweise auch größere – Schwächen aufweist, die mein Lesevergnügen trübten.

Es fing schon damit an, dass ‟Mädchenauge“ nur recht gemächlich in Gang kam. Statt mit einer spannenden Handlung, zum Beispiel in Form interessanter Ermittlungen im Anschluss an den letzten Mord (dem einzigen spannenden Ereignis der ersten 150 Seiten), wird der Leser zunächst mit einer Flut von Protagonisten konfrontiert. Nicht nur Ermittler, die Staatsanwältin und das Umfeld der Opfer werden thematisiert, sondern auch zu recht großen Anteilen die politische Situation im Wiener Rathaus. Als Kern einer Reihe von Intrigen präsentieren sich Bürgermeister und seine Vize und hier hat sich der Roman meiner Meinung nach leider vollkommen verrannt. 
Die Politik, vor allem, wenn es sich hauptsächlich um ziemlich oberflächliches Personal-Geplänkel handelt, wie in diesem Fall, verleit dem Roman keine Tiefe und hatte – vor allem in Anbetracht der Ausführlichkeit mit der sie gerade am Anfang geschildert wird – für die Handlung selbst erschreckend wenig Relevanz. Statt den Roman zu bereichern, langweilten diese eher trockenen Abschnitte mich als Leser und zögerten den Beginn der eigentlichen Ermittlungen und eine detailliertere Schilderung der tatsächlich wichtigen Protagonisten unnötig hinaus.

Die Protagonisten, die wirklich von Bedeutung waren, verringerten sich im Laufe des Romans deutlich. Zu Beginn schienen mir mehrere Charaktere, darunter Major Belonoz und ein Salzburger Ermittler namens Descho, die Kapitel in etwa gleichberechtigt untereinander aufzuteilen. Da hatte ich mich allerdings geirrt. Nach ihrer Einführung wurden sie immer unbedeutender und der Roman konzentrierte sich stattdessen hauptsächlich auf Lily Horn, was mir an sich nicht schlecht gefallen hat, da sie in meinen Augen ohnehin der interessanteste Charakter war. Es machte die anderen allerdings gleichzeitig auch recht blass.
Im Klappentext beispielsweise wird Belonoz als ‟grantig“ beschrieben – schon dieses eine Adjektiv ist beinahe mehr, als ich vom Wesen der Figur nach 450 Seiten erfahren habe. Ein paar Hintergrundfakten streut der Autor zu seinen Figuren zwar immer ein, was ihr Inneres angeht, ihre Gefühle und die Eigenschaften, die ihren Charakter ausmachen, bleibt das Buch aber an der Oberfläche. Während Belonoz sich irgendwann nur noch in Lilys Dunstkreis zu Wort melden darf, geht ihr Charakter als einziger ein wenig tiefer

Auch beim Stil, der Sprache und dem Aufbau des Romans bin ich ein wenig enttäuscht. Zwar schafft der Autor sprachlich, mit österreichischen Einflüssen, schon eine passende Wiener Atmosphäre, dem Buch fehlt es aber oft an Natürlichkeit. Wie interagieren Personen miteinander? Wie würden sie in der Realität miteinander sprechen? Häufig – zu häufig – kann ich darauf nur antworten: Nicht wie in diesem Buch. Viele Dialoge wirken stelzig, zu viele Informationen für den Leser werden in Gespräche gesteckt, die durch das bereits erlangte Wissen der Figuren überladen wirken. Teilweise werden sogar völlig konstruiert wirkende Situationen erschaffen, die nichts anderes zum Zweck haben, als die bis dahin komplett unwichtig erscheinende Hintergrundgeschichte einer Figur zu erzählen. Und zwar indem sie selbst, die das Ganze in ihren Gedanken vorher kein einziges Mal angedeutet hat, sich hinsetzt und ihr gesamtes Leben in einer unterkühlten, abgeklärten Weise abspult. Ohne Bezug zum Rest der Geschichte, bei einer Person, die keine sonstige Relevanz hat, in einer Art, wie es gar nicht zum Charakter passen will.

Die Ermittlungen selbst, als der Krimi an sich, war, wenn man denn die drögen 150 Seiten am Anfang erst einmal überstanden hatte, doch noch ganz spannend. Zwar konnten mich weder die etwas schwammige Auflösung am Ende noch die einzelnen Ermittlungsschritte vollständig überzeugen, aber ein paar Wendungen waren sehr gut gewählt und der Kriminalfall hatte durchaus seinen Reiz. Bei den Ermittlungen fühlte ich mich dagegen ein wenig hingehalten. Manchmal liefen sie einfach zu offensichtlich in die falsche Richtung, als warteten sie darauf, dass Lily mehr oder weniger durch Zufall wieder ein paar Informationen zufliegen würden. 
Ohnehin ist das Team hinter Belonoz ziemlich nutzlos – man könnte meinen, es gäbe keins, aber fast tägliche Team-Versammlungen beweisen: Es gibt sie, sie tun nur nichts. Nach mittlerweile drei Morden und mehreren verstrichenen Wochen wurden kaum entscheidende Fragen gestellt und das werden sie auch im Laufe dieses Romans erst, wenn es die ‟Ermittler“ (die diese Bezeichnung kaum verdienen) förmlich anspringt. Einem Leser, der regelmäßig Krimis und Thriller in der Hand hält, werden die kaum nachvollziehbaren Lücken in den Ermittlungen vermutlich leider sehr schnell auffallen.

Fazit: Nach einem trägen Anfang war es spannend, allerdings kaum mehr als ein solider Durchschnittskrimi. Der Kriminalfall hat seinen Reiz, die Ermittlungen sind allerdings ein wenig zu träge, die Charaktere größtenteils zu oberflächlich und dem Stil fehlt Natürlichkeit. Für einen Debütroman solide, aber ausbaufähig. Vielleicht wird man ja zukünftig noch einmal was von Lily Horn und Belonoz hören. 3 Sterne. 





Allgemeine Informationen

Ausgabe: Gebunden (Jan. 2013)
Seiten: 464
ISBN: 978-3552062085
Preis: € [D] 19.90

Leseprobe und weitere Informationen auf der Verlagshomepage




1 Kommentar:

  1. Wenn ich deine Rezensionen lese, weiß ich immer ob das Buch etwas für mich wäre oder nicht. Du beschreibst es so so gut, was dir nicht gefallen hat. Echt toll. Meistens würde mich genau das auch stören ;-)

    Liebe Grüße
    Vanessa

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